Urheberrecht an Schulen: Wechsel von grotesk zu absurd

Welche Aufgabe haben – ganz abstrakt gesehen – unsere Schulen und Universitäten?

Die Weitergabe von Wissen scheint nach Meinung unserer Politik nicht mehr zu den Aufgaben unserer Lehranstalten zu gehören, anders kann ich mir den “Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG” nicht erklären. Dank Markus Beckedahl von netzpolitik.org können wir endlich die Debatte über die sich aus dem Urheberrecht ergebenden Absurditäten im Bildungssystem in der breiten Öffentlichkeit führen.

Wir Piraten haben unsere Partei gegründet, um Forderungen an ein modernes, gerechtes Urheberrecht in die politischen Entscheidungsgremien zu tragen. Unter anderem fordern wir Piraten in NRW die Einführung von Digitalen Unterrichtsmedien unter freier Lizenz (Wahlprogramm NRW-Landtag 2010). Die Umsetzung unserer Forderungen hätte zur Folge gehabt, dass NRW nicht nur viel Geld für Schulbücher spart, sondern die Aktualität, Vielfalt, Qualität und Verfügbarkeit der Lehrmittel insgesamt deutlich besser wäre und die Autoren und Lektoren trotz Einsparung insgesamt besser bezahlt werden könnten.

Vor dem Abschluss des oben genannten Gesamtvertrags Ende 2010 war die rechtliche Situation der Lehrer aufgrund des sogenannten Zweiten Korbes ab 2008 unhaltbar und die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Kopie für den Unterrichtsgebrauch nicht leicht zu beantworten. Ab dem 2. Schulhalbjahr 2011/12 ist die rechtliche Lage schlicht absurd, weil Lehrer für die Wahrnehmung Ihrer Kernaufgabe, also der Weitergabe von Wissen, überwacht und im Zweifelsfall sogar bestraft werden.

Für 7,3 Millionen EUR (2011) bis 9 Millionen EUR (2014) haben die Bundesländer sich in dem Gesamtvertrag das Recht erkauft, unsere Lehrer eine geringe Anzahl von analogen Kopien anfertigen lassen zu dürfen. Digitale Kopien von Lehrbüchern sind absolut verboten. Unsere Bundesländer haben den Rechteinhabern in §6 (4.) sogar das Recht auf Installation einer von ihnen gestellten Schnüffel-Software auf den Rechnern der Schulen eingeräumt, damit unsere Lehrer auf Einhaltung der kontraproduktiven Regeln überwacht werden können.

Man muss sich das mal in der Praxis vorstellen: Pro Schuljahr und Schulklasse dürfen maximal 20 Seiten (oder 12%) eines Werkes analog kopiert werden. Das gilt natürlich auch für Vertretungslehrer oder bei Lehrerwechsel im Schuljahr. Ein Werk im Sinne des Vertrages ist auch eine Website, aus der maximal 20 Seiten ausgedruckt verteilt werden darf. Als Lehrer würde ich mir gut überlegen, Ausdrucke von Wikipedia zu verteilen: Vielleicht haben die Kollegen schon die 20 erlaubten Seiten ausgeschöpft?

Um es nochmal ganz klar zu machen: Alle Künstler, Kreativen, Autoren und Lektoren, Musiker werden auch nach Umsetzung unserer politischen Ziele Geld verdienen, vermutlich sogar mehr als vorher. Wir haben so viel mehr Kultur und Wissen nötig, dass genug Arbeit entsteht, wenn man die vielen willkürlichen Einschränkungen der Freiheit endlich wieder abbaut. Im Beispiel Schule wird doch jedem intelligenten Menschen sofort klar, wie wichtig die Weitergabe von Wissen  in der Bildung ist. Das bedeutet auch, dass besonders gute Lehrer sich aus mehreren Werken das Beste zusammen suchen und als Kopien verteilen, seien es Lehrtexte oder Übungsblätter. Dank dieses unsinnigen Vertrages bestrafen wie die Besten. Wir brauchen stattdessen dauerhaften Zustrom an frischen Lehrmaterialien, welche nach Bedarf neu zusammen gesetzt, von Lehrern und Schülern kommentiert und durch professionelle Autoren, Lektoren und Künstler verbessert werden können.

Was sollten wir tun?

Wir haben als Piratenpartei unsere Hausaufgaben in NRW gemacht. Sprich mit anderen über unsere bildungspolitischen Ideen und engagiere Dich, z.B. jeden Dienstag bei unserem Stammtisch! Es scheint auch die Zeit gekommen zu sein, unsere bildungspolitischen Forderungen detailliert auszuarbeiten und mit Berechnungsbeispielen zu versehen.

Außerdem solltest Du bei Deiner Partei nachfragen, warum sie diesen unsinnigen Vertrag unterschrieben hat. Als Beispiel kannst Du Dir diese Fragen an Sylvia Löhrmann anschauen, vielleicht antwortet sie sogar eines Tages.

Und letztlich sollten wir alle Lehrer darauf aufmerksam machen, dass Ihre Karriere auf dem Spiel steht.