Offene Fragen nach Urteil im Vergewaltigungsprozess

Vor knapp einem Jahr vergewaltigte der damalige Vorstandsvorsitzende des SPD-Ortsverbands Katernberg eine 40jährige Frau, die er kurz vor seiner Tat in der Zeche Carl kennen gelernt hatte. Nach vier Verhandlungstagen, die unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden wurde heute das Urteil verkündet: 2 Jahr Haft auf Bewährung. Der Richter begründet dieses äußerst milde Urteil mit der Zahlung von 50 tEUR Schmerzensgeld des Verurteilten an das Opfer, dem Desinteresse des Opfers an einer üblichen Gefängnisstrafe des Vergewaltigers, dessen vermutet hohen Alkoholpegel zur Tatzeit und dem freiwilligen Rücktritt des Vergewaltigers von allen politischen Ämtern.

Mir fallen auf Anhieb eine Reihe von Fragen ein:

Warum wurde das Verfahren des ehemaligen Stadtratsmitglieds trotz seines öffentlichen Amtes unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt?

Welche Gründe gibt es für die reichweitenstarken Medien in Essen, den Namen des verteilten Vergewaltigers ungenannt zu lassen (man denke nur an Jörg Kachelmann zurück, der sogar schon zu Beginn seines Vergewaltigungsprozesses namentlich genannt wurde)?

Warum wirkt sich der “freiwillige Rücktritt von allen politischen Ämtern” strafmildernd aus, obwohl er seine Ämter bei der zweifelsfrei absehbaren Verurteilung ohnehin verloren hätte?

Im Gegensatz zu den USA (Rache-Idee wie bei der Todesstrafe) soll unser Rechtssystem explizit nicht zur Genugtuung der Opfers bestrafen, sondern zukünftige Straftaten unwahrscheinlicher machen. Warum wirkt sich dann das Desinteresse des Vergewaltigungsopfers an einer Gefängnisstrafe strafmildernd aus? Haben potentielle, zukünftige Vergewaltigungsopfer kein Recht, vor diesem Menschen vergleichbar gut wie in anderen Vergewaltigungsfällen geschützt zu werden?

Warum wird unerzwungenes Saufen bis zur Unzurechnungsfähigkeit vor Gericht in Essen immer noch als strafmildernd anerkannt?

Weshalb duldet die SPD in Essen, dass eines ihrer Mitglieder als Beschuldigter einer schweren Straftat sein Amt als Ratsmitglied und Vorstandsvorsitzender des SPD-Ortsverbands Katernberg ein knappes Jahr weiter ausüben darf? Was das für die SPD nicht wichtig oder hat das etwa niemand mitbekommen?