Auf vier Rädern geboren

Hin und wieder könnte ich die Wände hochgehen, nicht nur aus Wut, sondern weil auf dem Bürgersteig oder Fahrradweg kein Platz mehr ist. Häufig werden unsere Bürgersteige gedankenlos mit parkenden Autos oder Paketdienst-Transportern zugestellt. Längstens alle 200m steht “nur kurz” ein Fahrzeug im Weg, Bürgersteig und Fahrradweg werden zum Kurzzeit-Parkplatz. Das bedeutet für Fußgänger mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrer und für Fahrradfahrer einen gefährlichen Umweg über die Fahrspur, bei dem man sich regelmäßig wütendes Gehupe anhören muss.

Die EVAG setzt jetzt in Rüttenscheid noch einen drauf: In der Friederikenstraße wurden neue Trägermasten für die Stadtbahn- Stromleitungen mittig auf die ohnehin schon schmalen Bürgersteige gesetzt. Nach Protesten hat die EVAG zunächst zurück gerudert, muss aber angeblich aufgrund von Bedenken der Stadt Essen doch die “Fahrspur freihalten”. Wer sich die Friederikenstraße einmal selbst anschaut wird schnell erkennen, dass 90% der Breite zwischen den Häusern bereits zum Parken und als Fahrspur dem Auto- und Stadtbahnverkehr zur Verfügung steht. Das letzte Stückchen Bürgersteig wird durch die Masten mittig geteilt, so dass man nicht mehr nebeneinander her gehen kann. Breitere Kinderwagen und E-Rollis kommen überhaupt nicht mehr an den Masten vorbei und müssen zwischen den parkenden Autos auf die Fahrspuren ausweichen.

Wir haben in Essen viele breite Straßen, im Städtevergleich ist innerstädtisch sehr viel häufiger Tempo 60 oder sogar 70 erlaubt. Warum werden unsere Bürgersteige und Fahrradwege dann kompromisslos auch in Nebenstraßen für mittig aufgestellte Trägermasten, Verkehrsschilder und Verteilerkästen missbraucht? Was spricht dagegen, solche Hindernisse direkt an die Straße oder auf den Parkstreifen zu setzen?

Um das ganz klar zu stellen: Ich befürworte einen Ausbau des ÖPNV in Essen und sehe auch keinen Sinn darin, unsere ganze Stadt als Tempo 30-Zone einzurichten. Mich ärgert nur die unausgewogene Gedankenlosigkeit der Essener Verwaltung, grundsätzlich der natürlichen Bewegungsform des Menschen den Platz zu nehmen. Es mag durchaus technische Begründungen geben, warum im Ausnahmefall ein Bürgersteig unbenutzbar zugebaut werden muss, aber darüber sollte die Verwaltung vorher informieren und zur Diskussion aufrufen. Wir Bürger sind schließlich nicht blöd, vermutlich würde uns mit vereinten Kräften häufig eine elegantere (und kostengünstigere) Lösung einfallen.

Deswegen frage ich mich bei diesen phantasielosen Entscheidungen unserer Verwaltung (egal ob Stadt oder EVAG): Kommen solche Menschen direkt mit Rädern auf die Welt oder haben die auch mal selbst Laufen gelernt?